Geschichte wird im Film lebendig

Zeitzeuge Gerd Morlock mit Regisseur Bernd Nebeling (rechts) bei der Vorstellung der Rheinhessen-DVD im Mainzer Capitol. Foto: hbz/Harald Linnemann

Zeitzeugen bei DVD-Präsentation über Rheinhessen in Mainz vor Ort

Von Torben Schröder

ZEITZEUGEN Bei der Vorstellung im Mainzer Capitol-Kino kommt so manche Erinnerung zutage

MAINZ - Was Dieter Gill da von seinem Vater für einen Schatz geerbt hatte, wusste er lange Zeit gar nicht zu schätzen. „Irgendwann kommt man dahinter, was das für Werte sind“, sagt der Mainzer. Er ist einer von 213 Bürgern, die dem Aufruf dieser Zeitung gefolgt sind und Videomaterial aus ihrem Privatbesitz zur Verfügung gestellt haben, um eine Dokumentation über die Geschichte Rheinhessens zu ermöglichen. „Mit den beiden Teilen über Mainz war ich schon hier“, sagte Filmemacher Dr. Bernd Nebeling bei der Premiere im Mainzer Capitol-Kino, „aber ein Film über eine ganze Region, das ist auch für mich neu.“

Seit eineinhalb Jahren arbeitet seine Agentur art & weise an dem Projekt. „Es ist ein sehr ehrgeiziges Unterfangen, die Geschichte Rheinhessens in bewegten Bildern und durch Zeitzeugenberichte erlebbar zu machen“, hielt Christian Matz, Mitglied der Chefredaktion dieser Zeitung, fest. Ursprünglich war, wie Nebeling erzählt, nur ein Film geplant, doch die schiere Fülle an Material zwang ihn und seine Mitstreiter geradezu zu einer Trilogie. Der zweite Teil wird zeitnah erhältlich sein, der dritte ist gerade in der Fertigstellung. Mit einer Gratis-DVD vom ersten Teil wurden nach der Premiere alle Zeitzeugen bedacht.

Bei der Familie Gill daheim füllt sich allmählich ein ganzes Regal mit Dokumentationen, an denen man selbst mitgewirkt hat. „Das ist schon der fünfte Film, in dem meine Unterlagen verwendet werden“, erzählt der Architekt, der auch schon bei der Reihe „Die Deutschen“ mit dem Filmmaterial seines Vaters beteiligt war. „Leider sind 90 Prozent der Filme, die er hinterlassen hat, kaputt“, berichtet Gill. Das, was nutzbar ist, erhielt das Filmmuseum in Frankfurt zur Bearbeitung. „Dort habe ich alle Zelluloid-Filme hingebracht, sie haben sie gerettet“, sagt Gill: „Mein Vater durfte als Stromsicherungskommandant im Krieg auch dort fotografieren, wo es sonst nicht möglich war.“ Beispielsweise bei der Erstellung von Pontonbrücken, die als Provisorien über den Rhein führten. Dass diese Aufnahmen 70 Jahre später nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, freut den Mainzer: „Ich bin froh, dass das so nicht umsonst war.“

Während der erste Teil, der mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs schließt, naturgemäß viele eher düstere Momente enthält, steigt ab der zweiten Folge die Stimmungskurve steil an. Mit Videomaterial von der Geschichte des Weisenauer Kirchweihfests ist der frühere MCV-Präsident Dr. Rudi Henkel dabei: „Da sieht man, wie die Kerb direkt nach dem Krieg war: Ganz bescheiden“, berichtet der Mainzer, „es ist auch noch die Original-Musik von damals zu hören.“ Nach der Filmvorführung erhielten alle Leser, die sich an dem Projekt beteiligt hatten, ihre Einsendungen zurück. Die größte Tüte hatte Friedel Stöhr unter dem Arm, wobei sein Archiv im Jahr 1969 beginnt und damit den dritten Film betreffen wird. Von Teil eins ist Stöhr begeistert: „Für mich, der etwas jünger ist, war es schön, endlich einmal zu sehen, was in unserer Gegend in der Geschichte passiert ist.“

Als Kind Filme vorgeführt

„Ich bin heute der glücklichste Mensch der Welt“, strahlte Gerd Morlock nach der Vorführung. Schon als Zehnjähriger hatte er im Capitol – im Jahr 1944 – Filme vorgeführt, doch seit gut 30 Jahren war er nicht mehr in „seinem“ Kino gewesen. Natürlich hatte Morlock einen Sonderplatz ganz oben, nach dem Film erhielt er noch eine eigene Führung. „Der Film ist toll geschnitten“, lobt der Fachmann, „technisch gut gemacht, der Ton ist sehr gut.“

Begeisterte Worte hat auch der Zeitzeuge Philipp Münch für Nebeling und sein Team übrig: „Man sollte diesen Film in der Schule zeigen. Für die junge Generation ist es wichtig, zu sehen, wie es mal war“, sagt der 85-Jährige, „wir haben ja schon seit so langer Zeit keinen Krieg mehr, es ist eine leichte Zeit heute.“ Lebhaft erinnert sich Münch daran, wie die Amerikaner 1945 in Rheinhessen einmarschiert waren. „Sie waren mir nicht sehr angenehm“, blickt er zurück, „wir waren ja immer noch geprägt vom Nationalsozialismus. Es war eine furchtbare Zeit damals.“

Rheinhessen DVD`s

Es ist ein sehr ehrgeiziges Unterfangen, die Geschichte Rheinhessens in bewegten Bildern und durch Zeitzeugenberichte erlebbar zu machen

Christian Matz
Verlagsgruppe Rhein Main GmbH & Co. KG